Saison 2007/2008

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[FC St.Pauli] 0:2 [1. FC Köln]
Datum: Freitag, 10.08.2007
Spieltag: 1
Ausgangslage: FC St.Pauli: - Platz, - Punkte, - Tore
1. FC Köln: - Platz, - Punkte, - Tore
Stadion: Millerntor St. Pauli Hamburg
Zuschauer: 15.500 (ausverkauft)
Schiri: Herr Perl (München)
Aufstellung FC:
    Mondragon    
         
Schöneberg Mc Kenna   Mitreski Özat
         
    Matip    
Vucicevic
(83. >)
 
Antar
  Chihi
(69. >)
Suazo
(> 83.)
      Broich
(> 69.)
         
 
Helmes
  Novakovic
(86. >)
 
      Scherz
(> 86.)
 
Tore: 0:1 Patrick Helmes, 65. Minute
0:2 Milivoje Novakovic, 79. Minute
Gastbericht von Forumuser "Bauernbub": So, vor lauter Urlaub komme ich zu gar nix mehr ... muss doch meine/unsere Impressionen vom Wochenende auch noch niederschreiben - besser spät als nie:

Mein Bruderherz und ich sind also bereits am Donnerstag mit dem Auto gen Norden gefahren, nachdem ein unbekannter liebenswürdiger Zeitgenosse seine Karte 3-2-1 noch kurzfristig an die Latsche gebracht hatte. Ich persönlich gehörte ja bereits zu den glücklichen 5 Prozent, die bei der grossen Anrufaktion am 23. Juli “legal“ an eine Karte gekommen waren. Abends einchecken im Hotel, rein in zügelloseste Reizwäsche und ab auf den Kiez. Der Abend verlief bombig, Astra und Köpi gaben sich die Klinke in die Hand, und wir hatten jede Menge Spass mit jeder Menge St. Pauli Fans, die sich nicht weniger als wir auf den Saisonstart freuten. Zwischendurch wurden wir auch ab und zu zur Begattung animiert, aber unsrere Mission war ja schliesslich eine andere. Unzählige Stunden, Biere und Begattungsanimationen später schlugen wir unser Zelt letztendlich im "Lehmitz" (Reeperbahn 22) auf, der legendären Kneipe auf St.Pauli, die angeblich seit 1954 nicht mehr geschlossen hatte. Ob die Schenke wirklich durchgehend geöffnet ist, examinierten wir am Selbstversuch. Wir waren bis zum Morgengrauen nur noch zu dritt, das Bruderherz, meine Wenigkeit - und der Barkeeper, der genauso urig und angenehm anmutete wie sein Laden: riesiger Vollbart, Stirnband, langes Haar, schelmische Miene, und ein schwarzes Shirt mit der Aufschrift: "Als Gott mich schuf, wollte er angeben“. Wir unterhielten uns über den FC St. Pauli, die Freundschaft mit dem FC (die in Hamburg übrigens noch vollkommen gelebt wird!), über die leidigen Bayern und Oliver Kahn ("Was meint ihr; wenn Olli Kahn nach einem Arbeitstag nach Hause kommt, befriedigt er dann seine Frau oder geht noch in den Kraftraum?“). Wir hatten voll den Spass, kamen bei Tageslicht ins Hotel zurück, und die Hälfte von uns hat zum grossen Finale noch ordentlich ins Klo gereihert.

Als wir uns am nächsten Tag um halb 3 auf den Weg zum Stadion machten, fiel mir aus irgendeinem der Typ vom Lehmitz wieder ein. Ich kannte ihn von irgendwo her, das war mir abrupt klar geworden. Aus einem versteckten Gebäudeteil meines malträtierten Gehirns bekam ich einen Hinweis auf meinen Geldbeutel, der Wirt hatte mir seine e-mail-Adresse notiert. Und tatsächlich - es war "Mütze“, der Reeperbahn-Kandidat von "Wer wird Millionär“. Kann sich jemand erinnern? 125.000 DM hat Mütze damals erspielt, und war daraufhin laut eigener Aussage "schuldenfrei“

Der Weg zum Stadion selbst war eine Odysee. Aufgrund des Umbaus und der Tatsache, dass zeit- und ortsgleich der "Hamburger Dom" stattfand, irrten die Latsche und ich erst mal stundenweise durch Geisterbahnen, Schiessbuden und Spiegellabyrinthe. Was es für einen alkoholgeplagten Magen bedeutet, im 10-Sekunden-Wechsel durch Zuckerwatten- Bratwurst-, gebrannte Mandeln-, Frittenfett- und Fischbrötchenduft zu wandeln, brauche ich wohl keinem zu erklären. In diesem lebensunwürdigen Zustand trafen wir nach unzähligen Irrwegen dann auch endlich auf Fanatico, mit dem ich noch meine Sitz- in eine Stehplatzkarte tauschen wollte. Danke an dieser Stelle nochmal an Deine Geduld, FC, ich hoffe, Du bist rechtzeitig zur zweiten Halbzeit reingekommen

Nein - wir waren gut 45 Minuten vor dem Anpfiff im Block, und die Katerstimmung war plötzlich wie weggeblasen. Die Sonne scheinte, Kaiserwetter, die Lust auf den FC war da, und wir warteten sehnsüchtig auf Hells Bells und den Anpfiff.

Das Spiel selbst und vor Allem die erste Halbzeit war ein Lehrbeispiel dafür, wie sehr das Resultat im Gedächtnis bleibt - und wie wenig die Leistung, die dazu geführt hat. St. Pauli war der perfekte Startgegner für den FC: Kampfstark auf dem gesamten Platz, aber vor dem Tor harmlos. 3:0 hätte es wie gegen Essen im ersten Durchgang geheissen, hätte Pauli nicht im entscheidenden Moment zu unpräzise gespielt. So aber hat man die Hürde kaltschnäuzig mit 3 Punkten gemeistert, und den Kiezkickern nach 30 Punktspielen in Folge die erste Heimniederlage seit 2005 beigefügt. Das bleibt eben unter dem Strich, und nach dem Spiel vor der Kurve sah man erst, wieviele Steine von den Schultern unserer Akteure gefallen waren. Das war einfach nur ehrliche und ausgelassene Freude! Apropos ausgelassene Freude: Wer hat Mondragon nach dem 1:0 beobachtet? Ich bin nach dem Tor rumgehüpft wie immer, hab geschrien wie blöde, die 200-Liter-Bierdusche genossen wie selten - und dann aus den Augenwinkeln bei der Eckfahne vor dem Block den Mondragon gesehen, wie er im Sprint angelaufen kam, die letzten 15 Meter auf den Knien herrutschte und wilder wirkte als die gesamte Horde.. Einfach nur der Hammer, in dieses Gesicht zu blicken!

Mondragon schockte mit einigen bizarren Rettungstaten, war aber sonst ohne Fehler. McKenna mit vielen unbedrängten Querschlägern, ebenso özat (<- "bei allem gut, was man im Stehen erledigen kann"). Mitreski 90 Minuten unauffällig, dann aber mit zwei Aussetzern binnen 120 Sekunden, schwarz wie die Nacht, die normalerweise spielentscheidend sind. Hoffentlich wird Mohamad rechtzeitig für Aachen fit - der gute Aleks bringt mich noch ins Grab. Matip mit solider Partie gegen den zappligen Takyi, dass dabei aber nicht mehr viel Kreatives im Spielaufbau kommt, sind wir ja gewohnt. Schöneberg schnell, lauffreudig und frech, aber in seiner Jugend noch total abhängig von den Nebenmännern. Passt erst mal die Viererkette, passt auch Schöneberg. Chihi und Nova blass, aber im richtigen Moment zur Stelle. Ebenso Antar, doch der dazu noch mit einigen wichtigen Zweikämpfen und der geistesgegenwärtigen Vorlage zum 2:0. Helmes eiskalt, das war klar, aber auch 90 Minuten kampfstark. Ballverluste hat er in der Regel selber ausgemerzt. Als Broich kam, wurde das Spiel sofort abgeklärter. Er stand auch mal auf den Ball, nahm Tempo und Hektik raus, gab aber auch im richtigen Moment wieder Gas. Vucicevic war phänomenal. Ich verstehe nicht eine einzige Kritik an ihm, die Benotung in kicker und Konsorten seh ich als Witz. Er macht viele riskante Sachen, die manchmal nicht funktionieren - aber wenn, wird es IMMER brandgefährlich. Dazu ist er zu jeder Spielminute genau dort wo man jemanden braucht, um einen Zweikampf zu gewinnen. Ich will nicht wissen, wieviele Kilometer der Nema in Hamburg runtergespult hat!

... ach ja, und warum man den Scherz bei seiner Einwechslung so gefeiert hat, ist mir ein Rätsel. Wenn bei uns in der Firma ein Heudeu arbeitet, der alle 6 Wochen mal tut, wofür er bezahlt wird, klatsche ich keinen Applaus, nur weil er mal richtig einstempelt - und nur weil er seit 20 Jahren hier angestellt ist

Egal, am Ende durften unsere Profis nicht nur den Sieg feiern, sondern auch die Tatsache, einem grossartig kämpfenden Gegner getrotzt zu haben. Geil, wie das ganze Stadion gegen Ende "You'll never walk alone" gesungen hat, wie sich unser EffZeh in der Kurve hat feiern lassen, ungezwungen wie schon lange nicht mehr. Und wie die Paulianer minutenlang bejubelt und skandiert wurden, als sie vor die Gästekurve kamen. Gänsehaut in Reinkultur.

Gut 45 Minuten nach dem Abpfiff ging es total verschwitzt und zufrieden wieder heim auf die Reeperbahn. Im Lehmitz war noch ein Live-Act (ein musikalischer). Auch sehr geil, wenn die Musiker auf dem Tresen rocken. Danach endlich Bett und ein Gute-Nacht-Telefonat mit Slash (Badelatsche hat unterdessen aus voller Brust "Scheiss Leverkusen" in der Dusche gegröhlt). Latsche und ich haben resümiert, dass wir wohl die ersten Kiez-Touris sind, die in drei Tagen keine einzige Titte zu Gesicht bekommen

Bilanz: Unvergesslich

PS: @ Mütze, falls Du das aus irgendeinem Grund irgendwann mal liest: "Pauli gewinnt 4:1!" Von wegen

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